Von der Leyen unter Druck: EU-Kommission steht vor Misstrauensvotum

Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen muss sich kommende Woche einem Misstrauensvotum im Europäischen Parlament stellen. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola informierte bereits die Fraktionsvorsitzenden über diesen ungewöhnlichen Schritt, der von dem rechten rumänischen Abgeordneten Gheorghe Piperea initiiert wurde und die erforderliche Unterstützung von mindestens einem Zehntel der 720 Abgeordneten (also mindestens 72 Stimmen) erhalten hat.

Der zweiseitige Antrag enthält schwerwiegende Vorwürfe gegen die Kommissionspräsidentin und ihr Team. Im Zentrum der Kritik steht die Corona-Politik der EU-Kommission, insbesondere die Weigerung, Textnachrichten zwischen von der Leyen und dem Pfizer-Chef Albert Bourla offenzulegen. Das EU-Gericht hatte kürzlich geurteilt, dass diese Verweigerung rechtlich unzureichend begründet sei. Die Kommunikation zwischen der Kommissionspräsidentin und dem Pharma-Konzern steht im Zusammenhang mit dem milliardenschweren Impfstoffkauf während der Pandemie.

Weitere konkrete Kritikpunkte umfassen die Verschwendung von Corona-Impfstoffen im Wert von rund vier Milliarden Euro, die ungenutzt blieben, sowie die angebliche Einflussnahme auf Wahlen in Mitgliedstaaten wie Rumänien und Deutschland durch verzerrte Anwendung des Gesetzes über digitale Dienste. Zudem wird von der Leyen vorgeworfen, das Parlament bei einem milliardenschweren Kreditprogramm für Verteidigungsinvestitionen umgangen zu haben, indem sie es als Notfallmaßnahme ohne parlamentarische Beteiligung plante.

Die Debatte über den Misstrauensantrag soll nach derzeitigem Planungsstand am kommenden Montagabend stattfinden, die Abstimmung folgt am Donnerstag. Für einen erfolgreichen Misstrauensantrag wären zwei Drittel der abgegebenen Stimmen sowie die Mehrheit aller Parlamentsmitglieder nötig – mindestens 361 Stimmen bei voller Anwesenheit, bei vollständiger Beteiligung sogar 480 Stimmen. Zum Vergleich: Bei ihrer Wahl im vergangenen November erhielt von der Leyens Kommission 370 von 688 abgegebenen Stimmen. Experten halten einen Erfolg des Antrags daher für äußerst unwahrscheinlich.

EVP-Chef Manfred Weber verteidigte von der Leyen entschieden und bezeichnete den Antrag als “parteitaktisches Spielchen” ohne Aussicht auf Erfolg. “Europa hat vor einem Jahr gewählt und Ursula von der Leyen führt die EU in turbulenten Zeiten mit einem starken Mandat”, betonte der CSU-Politiker. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und globalen Umbruchs sei es “vollkommen unverantwortlich, solche Öffentlichkeitsstunts durchzuziehen”. Die Antragsteller verfolgten seiner Meinung nach das Ziel eines instabilen und schwachen Europas.

Wie andere Fraktionen wie die SPD und die Linken abstimmen werden, ist noch nicht entschieden. Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan erklärte, er wolle über die Frage am Montag mit den anderen Abgeordneten beraten. Grundsätzlich sei man sich einig, dass es einen sozialen Politikwechsel und damit wahrscheinlich auch neues Personal brauche. Gleichzeitig gelte, dass man prinzipiell nicht mit Rechten abstimme.

Misstrauensanträge gegen die EU-Kommission sind historisch betrachtet äußerst selten. Zuletzt waren Rechtspopulisten im Jahr 2014 mit einem Misstrauensantrag gegen die damalige EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker gescheitert. Bei der Abstimmung damals votierten lediglich 101 Abgeordnete für den Vorstoß, 461 lehnten ihn ab, 88 enthielten sich. Zum Rücktritt einer EU-Kommission führte lediglich ein drohender erfolgreicher Misstrauensantrag im Jahr 1999, als die von Jacques Santer geführte Kommission ihre Posten vorsorglich zur Verfügung stellte, nachdem ein Bericht über Betrug, Missmanagement und Vetternwirtschaft vorgelegt worden war.

Trotz der geringen Erfolgsaussichten stellt das Votum für von der Leyen eine politische Belastungsprobe dar. Die CDU-Politikerin hat mit einigen ihrer politischen Initiativen zuletzt auch bei ihr eigentlich wohlgesonnenen Abgeordneten für Unmut gesorgt. Zudem hat sie bei Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen Unmut erregt, indem ihre Behörde ankündigte, ein Gesetz gegen Greenwashing zurückziehen zu wollen – ein Thema, das besonders den umweltbewussten Fraktionen am Herzen liegt.


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